Kein richtiger Porsche ?

928


Es ist sattsam bekannt: Der einzig wahre Porsche ist der 911, oder? Heckmotor ist Pflicht, ebenso die klassische Silhouette. Ältere Herrschaften werden noch den 356er ins Feld führen, schließlich war er der erste, der den Namen Porsche trug.

Nun, der 356 war vom Käfer abgeleitet, was seinerzeit nicht ehrenrührig war, im Gegenteil: Die geniale Verwertung minimaler vorhandener Ressourcen war es, die Porsche zu Zeiten von Ferdinand und Ferry lange auszeichnete. Aber sobald es „um die Wurst" ging, scherten sie sich nicht um das Heckmotordogma und wählten den Mittelmotor (Ferdinand Porsche bereits im Auto Union Rennwagen, Ferry Porsche beim ersten Porsche überhaupt – der „Nummer 1"). Der Heckmotor war immer ein Kompromiss, um sportliches Fahrverhalten und zwei Notsitze hinten vereinbaren zu können. Als der 911 entwickelt wurde, wurde das Heckmotorkonzept, ohne es groß zu hinterfragen, übernommen. Letztendlich ist der 911 nichts anderes als eine - wenn auch sehr weitreichende - Evolution des 356.

Also Heckmotor als Kompromiss bis ans Ende aller Tage? Die historische Entwicklung legt diesen Schluss nahe – wäre da nicht eine Episode, welche dies mehr als in Frage stellt – die Zeit der Transaxle-Modelle. Wie ich von Herrn Anatole Lapine aus erster Hand erfahren durfte, war der 928 aus der Situation entstanden, dass VW den EA 266 stoppte (ein Mittelmotor-Kompaktwagen, welcher den Käfer ablösen und konzeptionell auch den 911-Nachfolger befruchten sollte). Hieraus ergab sich die einmalige Chance, einen Sportwagen von Grund auf neu zu entwickeln. Nichts aus dem VW-Fundus musste verwendet werden, und zu unsere Freude ließ der Vorstand, namentlich Ferry Porsche, Herrn Fuhrmann und seinem Team auch konzeptionell die Freiheit, den Sportwagen neu zu erfinden. Das Ergebnis (der 928) ist bekannt und soll hier nicht eingehender beschrieben werden, nur eine These wagt der Autor in den Raum zu stellen:

Ist ein Porsche, der ohne Rücksicht auf Nachkriegsengpässe, Teilegleichheit und Konzeptvorgaben konstruiert wurde, nicht der Porsche schlechthin?

Wem es beliebt, der mag es so sehen. Aber die Geschichte ging weiter, und es lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, dass der 911 dem 928 in der Publikumsgunst ein ganz klein wenig den Rang abgelaufen hat. Porsche musste, da man den Automobilbau nicht allein l'art pour l'art betreiben konnte, den Kunden weiterhin den wildesten, nicht den besten Sportwagen anbieten. Und obwohl die aktuellen 911er trotz Heckmotor dank elektronischer Fahrhilfen von ebendiesem Heckmotor nichts mehr zu befürchten haben, sonnen sie sich gerne in der Aura des Sportfahrers, welcher die Bestie zu zähmen vermag. Es ist im Sinne aller Verkehrsteilnehmer, dass kaum jemand den Beweis antritt, und sicherlich sind auch die Porsche Marketingexperten ganz froh darum, dass auch die Cayman-Fahrer in der Regel unter dessen Möglichkeiten bleiben. Denn diese könnten spielerisch die Unterlegenheit des Heckmotor-Konzeptes beweisen.

Der 911 – der „richtige" Porsche für eine pseudo-sportliche Porschewelt, die einem Mythos huldigt, der sich auf vergangene Heldenlegenden gründet? Das Urteil mag ein jeder für sich fällen – der Autor kann auf jeden Fall damit leben, wenn diejenigen Porsche-Fahrer, die dies aus Imagegründen sind, dem 928 die Zugehörigkeit absprechen. Echte Kenner der Materie tun dies nicht, der 928 steht für sich selbst, Diskussionen über seinen Platz in der Autowelt sind nicht (mehr) erforderlich. Nicht zuletzt, weil die breite Öffentlichkeit ihn leider schon fast vergessen hat: Halten wir seine Erbauer und ihn selbst in Ehren!